Fornicon

1966
Tomi Ungerer
Aus Konservierungsgründen oder aufgrund der wechselnden Präsentation sind manche der beschriebenen Werke möglicherweise nicht ausgestellt.
Sans titre, dessin pour Fornicon, 1969, Coll. Musée Tomi Ungerer © Diogenes Verlag AG, Zürich/ Tomi Ungerer Estate. Photo : Martin Bernhart – Musées de la Ville de Strasbourg

 

 

In der Stadt

„Ich war ein chauvinistisches Schwein, ein Macho. Ich lehnte jegliche Gefühlsduselei ab. Doch weil ich die Frauen schon in jungem Alter als gleichberechtigt, als Freundinnen ansah, stand ich mit ihnen auf einer Ebene. Ich mochte die amerikanischen Mädchen, sie waren so schön direkt“, gesteht Tomi Ungerer.

Die satirisch-erotischen Zeichnungen in „Fornicon“ (1966) kritisieren die Mechanisierung und Robotisierung der menschlichen Sexualität. Sie reflektieren natürlich eine Zeit, in der sexuelle Freiheit zur sozialen Forderung wurde – im Vordergrund steht jedoch der Spott. Als Vorlagen dienten unter anderem die Assemblagen aus zerlegten Barbiepuppen der 60er Jahre, die Tomi Ungerer mit anderen Materialien zu seltsamen Sexmaschinen verbaute. Die Zeichnungen entstanden mit Tusche, Feder und Pinsel; einige von ihnen haben einen geradezu mönchischen Touch, der die Härte des Themas noch hervorhebt. Der lineare, perspektivlose Stil erinnert an die erotischen Illustrationen des englischen Grafikers Aubrey Beardsley.

In seinen satirischen Darstellungen der modernen Sexualität verbindet der Zeichner menschliche Körper mit Mechanismen, Objekten und Zahnrädern – zweifelsohne der Einfluss einer familiären Tradition: Vater und Großvater waren Uhrmacher und hatten sich auf astronomische Uhren und deren Figurenautomaten spezialisiert.

Bei Tomi Ungerer wird die Verschmelzung von Mensch und Maschine – ein Thema, das er immer wieder aufgreift – zu einer Höllenspirale, in der jegliche Kommunikation obsolet geworden ist und der im Mai ‘68 so vielbeschworene „Orgasmus ohne Grenzen“ vielleicht doch an selbige stößt.

Sans titre, dessin pour Fornicon, 1969, Coll. Musée Tomi Ungerer © Diogenes Verlag AG, Zürich/ Tomi Ungerer Estate. Photo : Martin Bernhart – Musées de la Ville de Strasbourg
Sans titre, dessin pour Fornicon, 1969, Coll. Musée Tomi Ungerer © Diogenes Verlag AG, Zürich/ Tomi Ungerer Estate. Photo : Martin Bernhart – Musées de la Ville de Strasbourg