Porträt einer jungen Frau
Das Straßburger Porträt, das Raphael um 1515 malt, belegt besonders eindrucksvoll die Virtuosität und Feinsinnigkeit des Künstlers.
Bewundern Sie nur dieses mit feinen Perlen bestickte Kleid und sehen Sie, wie lebendig die Bewegung der Hand ist. Wenn Sie sich ein paar Schritte vom Gemälde entfernen, werden Sie den Kontrast zwischen beiden Teilen des Bildes bemerken. Der obere Teil wirkt wie Emaille und ist wie ziseliert. Im unteren Teil des Bildes ist der Pinselstrich etwas schroffer. Der Kopf, Sitz der Vernunft, steht im Widerspruch zum Körper, dem Sitz der Triebe.
Doch wer ist die Frau auf dem Bildnis? Etwa die Geliebte, deren Leidenschaft den Tod des Künstlers herbeigeführt haben soll? Raphael stellte diese Schönheit einige Jahre später fast unbekleidet in einem berühmten Gemälde dar, das im Palazzo Barberini in Rom hängt. Oder handelt es sich um die Gattin von Bindo Altoviti? Das Porträt dieses Florentiners, das in der National Gallery in Washington hängt, wurde zur gleichen Zeit gemalt und weist zahlreiche Ähnlichkeiten mit unserem Porträt auf. Es könnte sich um sein Gegenstück handeln.
Doch das Werk wirft eine weitere, bis heute unbeantwortete Frage auf: Lässt die vollendete Ausführung darauf schließen, dass Giulio Romano, der brillante Assistent des Meisters, dieses Porträt gemalt hat? Wir erkennen darin vor allem die richtungsweisenden Prinzipien Raphaels wieder. Denn dieser ist in seiner „klassischen“ Phase einer der maßgebenden Künstler der italienischen Renaissance, zusammen mit Leonardo Da Vinci, Michelangelo, Giorgione, Tizian und Correggio.