Versucher und Törichte Jungfrauen, Klugen Jungfrauen
Ganz allgemein liegt dem Skulpturenschmuck der gotischen Kirchen ein umfassendes theologisches Programm zugrunde. Die Westportale des Straßburger Münsters weisen jedoch einen gestalterischen Reichtum und eine Geschlossenheit auf, wie sie woanders kaum zu finden sind. Auch vom Typ her unterscheiden sie sich von den Portalen der großen französischen Kathedralen. Als mögliche Quelle des Straßburger Programms, dessen Thema die Heilsgeschichte ist, wird häufig der Theologe Albertus Magnus angeführt, der sich um 1260 in Straßburg aufgehalten haben soll. Die Figuren, deren Posen etwas affektiert wirken, wurden im ausgehenden 13. Jahrhundert ausgeführt. Von den meisten Fachleuten werden sie in zwei Stilgruppen unterteilt: die „Jungfrauenwerkstatt” und die „Prophetenwerkstatt”. In ihnen vereinigen sich unterschiedliche Vorbilder aus Paris und der Champagne, aber auch Merkmale, die typisch für die Straßburger Bauhütte sind. So hat man des öfteren auf ihren „bürgerlichen” Charakter hingewiesen — im Gegensatz zum aristokratischen Stil des Skulpturenschmucks am Südportal, wie er insbesondere von der Ecclesia und der Synagoge verkörpert wird.